Alles leer und verwaist. Menschen laufen einen Marathon auf dem Balkon. Andere verabreden sich zum Musizieren am offenen Fenster. Lieferdienste tun sich zusammen und bieten ihre Dienste feil. Wieder andere nähen bunte Atemschutzmasken und verschenken sie großzügig. Musiker streamen kostenfreie Live-Konzerte, Literaten lesen vor der Internetkamera - und die Kirchen entdecken das Home-Praying. Es gibt Gitarrenkurse, Zeichenkurse, Fitnesstrainings, Bildungsangebote für Kinder und unzählige, teils superwitzige Bilder und Videos zum Aufmuntern. Alles kostenlos und online verfügbar - viral im doppelten Sinne sozusagen. Ob Facebook, Instagram, Youtube oder Streamingdienst: Im Zeichen von Covid 19 gedeihen dank der sozialen Medien ganz neue Ideen und Formate. Mal schauen, welche es am Ende bis in eine virusfreie Zukunft schaffen werden.
Langeweile oder Lagerkoller? Komm ich gar nicht zu
Talkshows ohne Publikum und mit ganz viel Platz zwischen den Streithälsen - kann ich gut mit leben (gerne auch mal ohne Talkgäste ausprobieren). Auch die Homeoffice (ich sage ja lieber Hausbüro)-Edition von "Extra 3" und "Die Anstalt" war: total witzig. Sportstudio ohne laufende Sportveranstaltungen und Publikum: hat was. Konzerte auf Youtube ohne Vorband, Bierdusche und Schweißgeruch von nebenan - anders, aber okay. Torsten Sträters Corona-Märchen vom kleinen dicken König (zu sehen bei "Nuhr im Ersten")? Zum Schießen. Mit Dota Gitarre lernen oder ein Online-Kurs für werdende Zeichner: probieren. Jeden Tag die Sendung mit der Maus, ein bisschen was schreiben und dazwischen dem Nachbarn beim Boxtraining auf dem Balkon zuschauen - ich habe weder Zeit für Langeweile noch für Lagerkoller. Der Keller ist immer noch nicht aufgeräumt, das Strickzeug liegt in der Ecke und ich bin froh, wenn ich zum Saubermachen komme. Ob Ausgangsbeschränkung oder nicht: Die Zeit verfliegt. Heute sogar eine Stunde schneller als sonst.
In der digitalen Welt sind geschlossene Grenzen überhaupt nicht existent
Man kann über Facebook und Co sagen, was man will. Datenkrake, Überwachungskonzern wie in Quality Land, Meinungs-Manipulator usw. Aber: In diesen hyper-viralen Zeiten zeigen sich die Vorteile der sozialen Medien. Irgendwie machen sie die gefühlte Kälte der sozialen Distanz ein bisschen weniger (der Franke sagt: aweng wenger) kalt. Wir sitzen alle im selben Boot: ob Kanzlerin, Rammstein-Sänger, Oliver Pocher oder der 101-Jährige in Italien, der die Spanische Grippe, uns Deutsche und jetzt auch noch Corona überlebt hat. Die Grenzen, die geschlossen wurden, sind in der digitalen Welt überhaupt nicht existent. Social Media verbindet.
Applaus, Applaus für die Anwesenheitsnotiz
Klar vermisse ich Unternehmungen mit Freunden. Die Treffen zum gemeinsamen Laufen und Schwimmen, Kino-Abende, Restaurant- und Theaterbesuche. Apropos Theater. Das Staatstheater Nürnberg hat verstanden, wie Social Media in diesen Zeiten funktioniert. Nicht wegducken, sondern in Kontakt bleiben. Mit regelmäßigen Anwesenheitsnotizen - gespickt mit spannenden Geschichten, was die Schauspieler, Musiker und Tänzer so treiben, wenn sie nicht auf der Bühne stehen können. Das hat was von Home-Acting: Theater ohne schick machen und Prosecco in der Pause. Wäre vielleicht auch ein innovatives Format für die Zeit nach Corona. Aber warum fällt mir spontan der Titel eines Stückes aus der laufenden Spielzeit ein: Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens? Nun. Das Stück ist übrigens letztmalig am 3. April zu sehen. Vielleicht hat das was zu bedeuten.
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